Passion in Bern

von Walter Laedrach

Eugen Rentsch Verlag Erlenbach, 1938

Ein Täuferroman um den Schultheissen Johann Friedrich Willading

Im Täuferroman Passion in Bern werden Leben, Lieben und Leiden der Familie Flückiger und ihrer Freunde geschildert, mit vielen Gesprächen unter Landvögten, Pfarrern, Täufern. Anhand der Familiengeschichte werden Täuferjagd, Gefangennahme, Deportation und Tod vieler Täuferinnen und Täufer dargestellt. Im Zentrum des Geschehens stehen Anna Flückiger, ihre Tochter Vreneli und deren grosse Liebe Peter Hertig.

Bilder der Täuferjagd in Grünigen

Abschrift der Bullingerschen Reformationschronik von Heinrich Thormann, ZB Zürich Ms B 316, 245v.

Anna wird von den Täuferjägern geholt und nach Trachselwald gebracht.

Die geschlagenen und verhöhnten Gefangenen lagen im Turm von Trachselwald, die Füsse in schweren Ketten geschlossen, ohne Stroh, ohne Decken auf dem blossen Boden bei Wasser und Brot. Die Frauen weinten, die geschlagenenen Männer stöhnten, aber bei Tagesanbruch sang Frau Anna das Lied:

Mein Harpfen ist mir zerbroche
Wann ich schon singen will,
Das Trübsal hat mich troffen,
dass es nicht klingen will.
Wem soll ich’s aber klagen,
Dann meinem lieben Gott,
Der lässt mich nicht verzagen,
Er hilft aus aller Not.

Es war seltsam, wie dieses Täuferlied ihr neue Kraft gab, und tröstlich war es auch, wie aus allen Kammern die Stimmen der Mitgefangenen einfielen, so dass zuletzt der ganze Turm sang und das Lied zu einem mächtigen Choral anschwoll.

Jetzt erschien ein Profoss im Turm und hiess die Gefangenen mit unflätigen Worten schweigen.

«Mit eurem verfluchten Geplärre weckt ihr mir den Landvogt, und wenn ich noch einen Ton höre, so schlage ich drein, dass ihr euch im Täuferloch begraben lassen könnt, wann ihr wollt, und nicht mehr nach Bern zu marschieren braucht!»

Die erste Zelle, die der Unmensch betrat, verstummte.

«Waren das nicht der Peter Hertig und der Lüthi von der Neunegg, die jetzt aufhörten?», fragte die Luzia Wyman ihre Mitschwester.

«Du mein Gott und Vater», stöhnte Frau Anna, «ist jetzt der Peter auch noch gefangen?»[1]


[1] Passion in Bern, S.134, 135.