Militärdienstverweigerer
Zwischen 1970 und den 1990er Jahren wurde eine Reihe junger Schweizer Mennoniten zu Haftstrafen verurteilt, weil sie den Militärdienst verweigerten. Als ein junger Mann Mitte der 70er Jahre seine Gefängnisstrafe antrat, wollte er etwas Literatur zum Selbststudium mitnehmen, was ihm jedoch verwehrt wurde. Zu seiner grossen Verwunderung wurde ihm mitgeteilt, dass das einzige Buch, das er mitnehmen dürfe, die Bibel sei.
Bildlegende: Stempel des Militärgerichts, das die Verurteilung aussprach (1975).
„Wie seltsam!“, sagte er zu einem Gefängnisbeamten. „Wegen dieses Buches bin ich überhaupt erst ins Gefängnis gekommen. Anstatt mir zu verbieten, in diesem offensichtlich gefährlichen und subversiven Buch zu lesen, soll just dieses Buch das einzige sein, das hier überhaupt erlaubt ist!? Das überrascht mich nun doch sehr!“
Unwirsch hiess der Aufseher den jungen Mann schweigen und schloss die Zellentür hinter ihm zu.
Diese Episode zeigt, wie sehr in der Öffentlichkeit Bibel und christlicher Glaube bis in die jüngste Gegenwart als ‚harmlos’ eingestuft wurden. Der Bibel wird zwar durchaus zugetraut, Straftäter und Kriminelle in Gefängnissen wieder auf den «guten Weg» zurückzubringen. Hingegen sieht man im Bibelwort offenbar kaum das Potential, aus unauffälligen Zeitgenossen Menschen zu machen, die aufgrund ihres Glaubens auch hierzulande bisweilen zu Überzeugungen gelangen, die sie in Konflikt mit den geltenden Werten und Gesetzen bringen können.
Bei den Schweizer Mennoniten hat die Wiederentdeckung einer friedenskirchlichen Lektüre der Bibel zu einem neuen Nachdenken über das Verhältnis von Kirche und Gesellschaft geführt. Dies hat viele von ihnen inspiriert, sich auch innovativ für neue Lösungen einzusetzen. So waren die Mennoniten beispielsweise eine der wenigen Schweizer Kirchen, die sich für die Einführung des Zivildienstes in der Schweiz (1992–1996) einsetzten.[1]
[1] Hanspeter Jecker, Die Militärfrage: Die Haltung der Schweizerischen Täufer zur Entwicklung der Allgemeinen Wehrpflicht, (1976, Typoscript, 25p., in der Dokumentationsstelle des Schweizerischen Vereins für Täufergeschichte, Bienenberg / Liestal).