Portrait Fritz Rötlisberger
Rosmarie und Fritz Röthlisberger vom Hohgrat ob Langnau im Emmental
Das Bild stammt aus ihrem Privatarchiv. Es wurde 2021 an ihrem 50. Hochzeitstag aufgenommen.
Fritz und Rosmarie sind charakteristische Emmentaler Täufer. Sie leben auf dem Hohgrat, das ist ein Bauernhof auf einem Hügel oberhalb Langnau im Emmental. Gerne berichten sie aus ihrem langen Leben.
Fritz wurde 1946 in einer Täuferfamilie geboren. Aus seiner Kinderzeit erzählt er: «Den kirchlichen Unterricht, das waren zwei Jahre Kinderlehre und ein Jahr Unterweisung, besuchte ich bei den Alttäufern im Kehr, Langnau. An Ostern 1962 wurde ich getauft und damit auch Mitglied bei der Alttäufergemeinde Langnau.» Gerne wollte er Lehrer werden, doch er entschied sich als einziger Sohn, den elterlichen Landwirtschaftsbetrieb weiterzuführen.
Schon in jungen Jahren engagierte sich Fritz für das öffentliche Leben. Fritz erinnert sich: «Mit 18 Jahren wurde ich angefragt, ob ich in der Gohl die Sonntagschule übernehmen würde. Das machte ich dann 35 Jahre lang. Die meisten Kinder kamen aus der reformierten Landeskirche, etwa 5% aus den Freikirchen.» Später dirigierte er wärend 25 Jahren auch einen Chor. Seine Begabung als Leiter wurde auch in der Gemeinde entdeckt. Er weiss zu berichten: «In der Gemeinde im Kehr war ich schon in den jüngeren Jahren im Vorstand, später dann in der Gemeindeleitung, und schliesslich war ich dort 9 Jahre lang Präsident.» Und nach dem Wegzug eines Predigers begann Fritz auch ab und zu mit der gottesdienstlichen Verkündigung. Fritz engagierte sich auch in der Politik. Dazu meinte er: «Ich trat damals in die SVP ein, und zwar wollte ich eine Partei, in der verschiedene Leute Platz finden. Mich dünkte es zudem nie, dass man als Christ unbedingt in einer christlichen Partei sein müsse. Ich finde es besser, wenn in verschiedenen Parteien Leute sind, die dort ethische Fragen und christliche Anliegen vertreten, damit diese überall eingebracht werden.»
Fritz und Rosmarie lebten von der eigenen Landwirtschaft. Fritz verdiente als Briefträger etwas dazu. Als Briefträger kam er auch in all die Häuser in seinem Graben. Immer wieder kam es vor, dass er nicht nur die Post ablieferte, sondern auch als Ratgeber und Helfer gefragt wurde. So konnte es auch sein, dass seine Tour länger als gewohnt dauerte. Was ihn aber nicht störte, weil ihm das Wohl seiner Mitmenschen stets am Herzen lag.
Fritz ist seit 1971 mit Rosmarie verheiratet. Sie unterstützt ihn bei seinem Einsatz zum Wohl der Gesellschaft. Gerne erzählt sie, wie sie Fritz im Hauetershauschor kennengelernt hat und wie sie bald darauf geheiratet haben. Sie erinnert sich mit vielen kurzen Geschichten, wie sie die vier Kinder grosszog und nebenbei noch tatkräftig im Hof mit angepackt hat. Rosmarie ist eine eher stille Familienfrau, die sich ihr Lebenslang im Gebet für die Ausbreitung des Evangeliums eingesetzt hat. Heute ist sie glückliche Grossmutter. Sie nahm sich gerne auch Zeit für die Enkel, damit ihr Sohn und die Schwiegertochter ihren Arbeiten nachgehen konnten. Sie erzählt, einmal sei auch einer der Enkel zu ihr gekommen und hätte zu ihr gesagt: ‹Gell Grosi, du schaffisch nie?›, denn auf dem Hof arbeiten sei ja ‹werchen› und nicht schaffen.»
Fritz ist ein lebendiges Beispiel für die Versöhnung zwischen den Kirchen. Freimütig erzählt er: «Ich persönlich bin immer noch Mitglied der Landeskirche, weil ich diese Verbindung behalten will. Ich wollte dies schon wegen meiner Tätigkeit in der Sonntagschule erhalten. Das dünkt mich schön. Das war vor Zeiten nicht so.» Fritz singt seit 2019 im Kirchenchor und erlebt dabei, wie Gesang und Musik über die Denominationen hinaus verbinden.
Bei aller Nähe zur Kirche ist Fritz im Herz ein Täufer, das wird spürbar, wenn er die Geschichte von einem besonderen Bibelfund erzählt: «1962 liessen wir auf dem Hohgrat das Dach neu decken. Auf dem Firstbalken oben endeckten wir eine vernagelte Holzkiste, warfen diese aber ungeöffnet hinunter auf den Abfallhaufen. Als Vater ein paar Tage später aufräumte und die noch intakte Kiste öffnete, kam eine alte Bibel mit dem Jahrgang 1784 zum Vorschein. Diese ist mit Holzdeckeln versehen und mit Messing beschlagen. Auch ein altes Gebetsbuch vom Kanton Bern, 1761 gedruckt, lag darin. – Von diesen beiden Büchern wussten weder Vater noch Grossvater etwas. Entweder wurden diese beiden Bücher während der Verfolgungszeit dort oben versteckt und blieben unentdeckt oder dann sollten sie dort vor Diebstahl geschützt sein. ... Sie sind heute in Familienbesitz; dazu gehört auch ein altes Buch ‹Die güldenen Äpfel in silbernen Schalen›, das meinem Grossvater gehörte. Das sind die Schriften, die Michael Sattler in den sogenannten Schleitheimer Artikeln herausgegeben hat.» Diese Bücher verbinden Fritz und Rosmarie mit ihren Vorfahren, denn auch für sie sind die Bibel, das Gebet und die Grundsätze der Täufer bedeutungsvoll.
Fritz und Rosmarie sind versöhnliche Menschen, die sich bis heute mit einfachen und ehrlichen Worten für eine entspannte Gemeinschaft der Menschen im Emmental einsetzen. Sie verkündigen mit ihrem Leben den Frieden Gottes.
SR 15.4.2021
Die Zitate stammen grösstenteils aus dem Heft: Hänni, Hans Rudolf; Langnauer Täufer 2007. Alttäufer. Fritz Röthlisberger, Hohgrat Ältester und Prediger Alttäufergemeinde Emmental (Mennoniten). Interview und Predigt, Langnau 2007.