Trini Bieri

Katharina «Trini» Bieri ist gegen 40 Jahre alt, als Täuferjäger sie im Frühjahr 1710 aufspüren und auf Schloss Trachselwald bringen. Ihren Mann Caspar haben sie bereits früher gefangen, nach Bern geführt und zusammen mit rund 50 bernischen Täuferinnen und Täufern nach Amerika verbannt.

Bild eines Mittelalterlichen Folterinstrumentes

Illustration: Das “Mörderchäschtli” auf Schloss Trachselwald.

Katharina «Tryni» Bieri von Hopferen im Heimisbach / Trachselwald (ca. 1667-?)

Es ist April 1710. Katharina «Tryni» Bieri ist gefangen auf Schloss Trachselwald.[1] Mit ihr in der halbdunkeln, engen und feucht-kalten Zelle sind ihre drei Söhne Daniel (8), Caspar (6) und Hans (4). Ihren Mann Caspar, mit dem sie seit 16 Jahren verheiratet ist[2], hat sie schon lange nicht mehr gesehen. Auch er war verhaftet worden, noch vor ihr. Man hatte sie beide gewarnt. Wenn sie ihre täuferischen Überzeugungen nicht aufgeben, würde man sie gefangen nehmen, des Landes verweisen – oder ihnen noch Schlimmeres antun. Vor einem Jahr war ihr Mann dann ausgewiesen worden – für immer.[3] Und auf einer Rückkehr stand die Todesstrafe.

Aber die Liebe zu seiner Familie war wohl stärker. Kurz darauf befand sich Caspar Bieri erneut im Gefängnis. Im März 1710 gehörte er zur Gruppe der über 50 Berner Täuferinnen und Täufer, die an Eisen angekettet aare- und rheinabwärts via Rotterdam nach Amerika ausgeschafft werden sollten.[4]

Der Schmerz hatte Tryni fast zerrissen. Auch sie war inhaftiert worden. Täuferjäger hatten sie aufgespürt. Aber anders als ihren «vorbestraften» Mann führte man sie nicht in die Hauptstadt, sondern in den Bergfried auf Schloss Trachselwald. Die 15jährige Tochter Barbara[5] und die 12jährige Tochter Cathrin[6] hatte man ihr weggenommen und bei Bekannten verdingt. Nur die drei Buben hatte man ihr gelassen. Anders als ihre älteren Schwestern waren sie noch nicht getauft. Als die Eltern Trini und Caspar nämlich vor etwa 10 Jahren den täuferischen Glauben angenommen hatten, beschlossen sie und ihr Mann, fortan kein Kind mehr zu taufen, das ihnen noch geschenkt werden würde. Glaube und Kirchenmitgliedschaft – so waren sie überzeugt – durften nicht via Säuglingstaufe erzwungen werden, sondern mussten freiwillig bleiben.

Das duldete die Berner Obrigkeit nicht. Sie befahl, dass die drei Buben unverzüglich zu taufen seien: Daniel in Eriswil, dem Heimatort seines Vaters. Caspar in Lauperswil, wo ein Bruder seines Vaters mit seiner Familie die Kappelmatt bewirtschaftete. Und Hans in Trynis eigener Kirchgemeinde Trachselwald am Fuss des Schlossberges in der Kirche, deren Glocken sie hoch oben bis in ihre Zelle hören konnte. Als Mutter wusste sie, was diese am 6. April 1710 vollzogenen Taufen[7] zu bedeuten hatten: Die drei Buben würden auseinandergerissen und bei Verwandten verdingt werden, die in diesen drei Ortschaften lebten.

Das verhiess auch für sie nichts Gutes. Sie würde wohl nie mehr zu ihren Kindern zurück dürfen. Und tatsächlich: Die Kinder sah sie nicht wieder. Kurz darauf wurde sie von Profosen nach Bern ins Insel-Gefängnis gebracht.[8] Während der Wintermonate hörte sie Gerüchte, wonach die niederländischen Mennoniten für alle in ihrer Heimat drangsalierten Berner Täuferinnen und Täufer einen freien Abzug erwirken wollten. Und effektiv: Im Februar wurde sie provisorisch aus der Haft entlassen, um zuhause ihre Angelegenheiten zu regeln und sich für die Abreise bereit zu machen.[9] Ein letztes Mal konnte sie dabei ihre eigenen Kinde sehen. Erneut drohte der Schmerz ihr Herz zu zerreissen. Zahlte sie da nicht einen zu hohen Preis für ihre Überzeugungen? Eine kleine Hoffnung erfüllte sie. Ihr war zugetragen worden, dass ihr Mann nicht nach Pennsylvania ausgeschafft worden war, sondern dass die niederländischen Behörden beim Grenzübertritt des Häftlings-Bootes alle Gefangenen auf freien Fuss setzen liessen. Und jemand wusste zu berichten, dass Caspar Bieri in Markirch (Sainte-Marie-aux-Mines) bei Glaubensgeschwistern Unterschlupf gefunden habe und nun versuche, seine Familie zu sich zu holen.[10]

An diesen Strohhalm hielt sich Tryni Bieri, als sie im Juli 1711 mit fast 400 Berner Täuferinnen und Täufern eines der Schiffe betrat, das sie in die Niederlande zu ihren Wohltätern bringen sollte.

Das einzige, was wir von Tryni Bieris weiterem Schicksal wissen, ist dies: Aufgrund ihrer Schwachheit ist ihr offenbar bewilligt worden, in Mannheim das Schiff zu verlassen.[11] Sie dürfte versucht haben, ins Elsass zu gelangen, um dort nach ihrem Ehemann zu suchen. Ob ihr das gelungen ist, ob die möglicherweise wieder vereinten Eltern ihre im Emmental verdingten Kinder zu sich holen konnten – wir wissen es nicht. Inmitten von viel Leid und Schmerz, das die bernische Täuferpolitik manchen seiner eigenen Untertanen zugefügt hat, gab es tatsächlich auch immer wieder kleinere und grössere Wunder. Ob das auch für Tryni Bieri und ihre Familie galt?


[1] KB Trachselwald 9, 106.
[2] KB Rüderswil 5, 583.
[3] StABE A II 621, 372f. und B IX 486, 173.
[4] StABE B IX 486, 215ff. und GA Röthenbach, Schenk-Chronik Bd. VI, 75ff.​​​​​​​
[5] KB Eriswil 3, 86.​​​​​​​​​​​​​​
[6] KB Trachselwald 3, 105.​​​​​​​
[7] KB Trachselwald 9, 106, KB Eriswil 3, 110, KB Lauperswil 5, 397f. (Die Angaben weichen voneinander ab).​​​​​​​
[8] Statsarchief Amsterdam (SAA) 565, A 1269 und 1393f.​​​​​​​
[9] SAA 565, A 1395.​​​​​​​
[10] ADHR E 2089.​​​​​​​
​​​​​​​[11] SAA 565, A 1396a.