Die Furgge

Katharina Zimmermann

Zytglogge Bern 1989

Die Furgge ist ein Roman über die Verfolgung der Täufer in der Schweiz im frühen 18. Jahrhundert, basierend auf archivarischen und historischen Recherchen über das Emmental und die Menschen, die dort lebten, wie Madleni Schilt und Christen Hirschi. Die Geschichte hat einen zeitgenössischen Rahmen und wird erzählt von einer Musikerin, die während eines Aufenthalts im Kemmeriboden auf die Geschichte von Madleni und Christen stösst. Der Schatten des Hausberges - die Furgge -, heute Hohgant genannt, ist dabei Versteck für Verfolgte und Symbol für Heimat.[1]

Madlenis Mann Christen muss flüchten und nimmt die Buben mit; sie bleibt mit den Mädchen auf dem Hof:

D Furgge gsehn i auwä myr Läbtig nie meh, hatte Christen dort oben gesagt, dann war er gegangen, hatte den Bänz an die Hand genommen und mit dem Stecken ausgeholt, auf dem ihre Namen und die der Kinder eingeritzt sind. Der Andres war ihm gefolgt, auch er mit Stecken und Sack. (…) Gottlob, sie waren schon jenseits der Grenze. Die Katholischen würden ihnen nichts tun. Allein ging Madieni zurück ins Bernerland, das zu verlassen Still Ueli am Abend zuvor geraten hatte. Hier auf dem Ofentritt waren sie gesessen, Christen und es. Madleni hatte Äpfel gerüstet, die vom Süssapfelbaum, hatte halbiert und geschnitten, bis es fast nichts mehr sah. Die Kinder waren längst durch die Luke in den Gaden hinaufgestiegen. Christen und es waren sitzengeblieben, hatten geplaudert über das viele Emd, über Gerste und Korn, die voll hatten ausreifen können in jenem schönen Herbst, auch über sich selber, wie gut sie es miteinander hatten, seit Christen bei den Altevangelischen war. Er möge am Morgen ganz anders aufstehen, wenn er denke, wie lieb Gott die Menschen habe, hatte Christen gesagt. Seit er nicht mehr Chorrichter und auf das Bestrafen aus sei, würden ihn alle dauern, die neben den Karren gefallen seien. (…)

Da hatte es draussen an die Tür geklopft. (…)

Still Ueli, der Chorrichter vom Schangau, stand vor der Tür. (…) Nachdem Christen ein Licht gebracht und Wachholderschnaps eingeschenkt und Ueli den Mund mit einem Schluck gespült und sich geräuspert hatte, kam es. Madleni erinnert sich an jedes einzelne Wort. Er bringe bösen Bescheid, sagte Ueli und wusste damals noch nicht, wie schnell es ihn selber treffen sollte. Jemand habe Christen gesehen, wie er in der Samstagnacht an die Versammlung gegangen sei und es dem Herrn gemeldet.

Welchem Herrn? Ich kenne nur einen Herrn, Jesus, dem will ich gehorchen und keinem sonst, hatte Christen hitzig zurückgegeben.

Gut also, dem Prädikanten hat er's gesagt, und weil die Gnädigen Herren…

Komm mir nicht mit den Gnädigen, die sind ganz und gar nicht gnädig, und wenn sie von mir den Eid wollen, ich geb ihn nicht.

Christen, ich bin nicht den weiten Weg bis zu hinterst ins Tal gekommen, und das nachts, um zu streiten mit dir. Ich bin gekommen, weil es Matthäi am Letzten ist. Es treiben sich zwei herum, wüste Gesellen, und haben den Auftrag, die hiesigen Täufer zu fangen. Im Pfrundhaus haben sie nach der Liste gefragt. Christen, du stehst zuoberst drauf.

Gut, dann bleib ich hier hinten. Es wird sich doch keiner getrauen, mich auf meinem eigenen Boden verhaften zu wollen? (…)

Christen, ich bin gekommen, um dir zu. sagen: Geh! Geh so schnell als möglich, noch diese Nacht. Das Madleni nimm mit, und die Kinder lass hier. Zu denen kann man dann etwa schauen.[2]


  • [1] Nach dem Klappentext der englischen Ausgabe, übersetzt von Ruth Schwertfeger
  • [2] Furgge, S. 167-168