Mathieu Musey
Auf dem Hof der mennonitischen Familie Burkhalter suchte einer der berühmtesten Flüchtlinge der Schweiz, Mathieu Musey, mit seiner ganzen Familie von April 1987 bis Januar 1988 Zuflucht. Auf dem Hof Mont Dedos oberhalb der Pichoux-Schlucht bei Souboz wurde er während einer Operation der Berner Polizei am 7. Januar 1988 verhaftet, einer Operation, die kurz darauf zur militärischen Deportation der Familie Musey nach Zaire (heute Demokratische Republik Kongo) führte.
Familie Musey steigt in den Helikopter (Foto: RTS Screenshot*).
Dora Burkhalter wird den Morgen des 7. Januar 1988 nicht vergessen, als Polizisten mit Gewehren und einem Hubschrauber auf dem Hof Mont Dedos eintrafen:
«Wir hörten einen ohrenbetäubenden Lärm, dann sahen wir mit Gewehren und Hunden bewaffnete Polizisten, die das Haus umzingelten. Ich dachte, dass ein Krieg ausgebrochen sein muss. Dann wurden die Museys weggebracht und wir sahen sie nie wieder.
Niemandem hatten wir gesagt, dass wir abgewiesene Asylsuchende beherbergen, nicht einmal unseren engsten Nachbarn. Ich wusste selbst lange Zeit nicht einmal, dass unsere Gastfamilie gesucht wurde. Zwei meiner Söhne, Daniel und Pierre, waren Mitglieder einer mennonitischen Friedensgruppe. Deshalb wurden wir gebeten, einen Flüchtling aufzunehmen. Musey, seine Frau, zwei kleine Kinder und ein Adoptivsohn blieben neun Monate lang bei uns.
Als erklärter Gegner des Mobutu-Regimes hätte er bei seiner Rückkehr nach Hause sein Leben riskiert. Er war Mitglied der Exilregierung, die bereit war, den Diktator zu stürzen. (…) Jedenfalls war unser Hof im Laufe der Zeit für ihn nicht mehr sicher. Kurz vor Weihnachten hatte Musey ein weiteres Versteck gefunden. Aber auf Drängen seiner Frau war er in den Ferien zu uns nach Hause zurückgekehrt. Auf diese Weise konnte die Polizei ihn fassen.
Danach gab es eine Anklage gegen uns. Wir mussten eine Busse zahlen. Aber mein Mann und ich bereuen nichts, auch wenn uns sogar innerhalb der mennonitischen Gemeinschaft von einigen vorgeworfen wurde, mit dieser Beherbergung illegal gehandelt zu haben. Als Christen war es unsere Pflicht, sie aufzunehmen. Umso mehr, als auch unsere eigenen täuferischen Vorfahren oft auf der Flucht waren. Viele wurden ebenfalls ausgeschafft. Und viele haben nur überlebt, weil Menschen ihnen Unterschlupf offeriert haben – ohne viele Fragen zu stellen. Auf diese Weise fanden auch die Burkhalter im 18. Jahrhundert Asyl im Jura. Jetzt war es an uns, andern zu helfen. Aus Dankbarkeit für die Hilfe, die unseren Vorfahren oft das Leben gerettet hatte!»
Musey lebte während 17 Jahren in der Schweiz und hatte an verschiedenen Universitäten gelehrt, bevor sein Asylgesuch von der Schweizerischen Eidgenossenschaft abgelehnt wurde. Zum Zeitpunkt der Ereignisse war er Exekutivsekretär der Koordination der zairischen Opposition in der Schweiz und Minister in der Exilregierung. Seine Verhaftung fand viel Resonanz in den Medien, und Musey bezeichnete öffentlich seine Entführung als das Resultat eines Komplotts zwischen der damaligen Schweizer Justizministerin Elisabeth Kopp und Präsident Mobutu.
Mathieu Musey ist im Februar 2021 in Kinshasa (Kongo) gestorben.
Nach dem Zeitungsartikel «Onze enfants, une équipe de foot à nous tout seuls!» von Catherine Favre in ArcInfo 200
Beitrag von Télévision Suisse Romande TSR «L’affaire Musey» in der Sendung «Temps présent» vom 3. März 1988.