Leymah Gboweh

Leymah Gbowee (* 1972) wurde 2011 mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Sie ist eine Bürgerrechtlerin und Politikerin aus Liberia. Sie setzte sich unermüdlich und gewaltfrei für die Sicherheit und die Rechte von Frauen ein und bemühte sich um Frieden inmitten des liberianischen Bürgerkrieges.

Bild von Laymah Gbowee

Leymah Gbowee spricht 2011 an der Eastern Mennonite University (Fotos EMU/ Leymah Gbowee).

Leymahs glückliche Jugendzeit in Liberia endete mit dem Bürgerkrieg 1990: Sie wurde Zeugin von Mord, Vergewaltigung, Flucht und selbst das Opfer eines gewalttätigen Mannes. Sie wurde Mutter mehrerer Kinder, absolvierte eine Ausbildung zur Sozialarbeiterin und bildete sich weiter in Traumaheilung und Versöhnung.  Durch den Frauenverein ihrer Kirche kam sie in Kontakt mit anderen Frauen, und schliesslich entstand das Frauennetzwerk für den Frieden WIPNET. 

Der Film Pray the Devil back to Hell und das Buch Wir sind die Macht schildern das Elend des Kriegs und das gewaltfreie Engagement Leymahs und vieler anderer Frauen.

Der Sitzstreik

Gemeinsam mit anderen Frauen führte Leymah viele Aktionen für den Frieden durch, eine davon ist der Sitzstreik von 2003 vor dem Palast des liberianischen Präsidenten Taylor mit Gebet und Gesang. Über 2000 Frauen in Weiss harrten aus in Hitze und Regen. 

Bild von sitzenden Afrikanerinnen

Frauen sitzen für den Frieden.
(Fotos EMU/ Leymah Gbowee).

Eindrücklich wird dieses Ereignis beschrieben in ihrem Buch Wir sind die Macht:

Bis jetzt haben wir geschwiegen. Aber nachdem wir getötet worden sind, vergewaltigt, erniedrigt, mit Krankheiten angesteckt; nachdem wir zusehen mussten, wie unsere Kinder und unsere Familien zerstört wurden, hat uns der Krieg eines gelehrt: Wir werden ab jetzt Nein sagen zu jeglicher Form von Gewalt und Ja zum Frieden! Wir werden nicht wieder verstummen, bis Frieden herrscht! [1]

Die Sonne ging auf. Dann hörte ich das Geräusch von Dieselmotoren und sah mehrere Busse auf uns zukommen. Dazwischen Trucks - vollbesetzt mit Frauen. Es waren hundert Frauen auf dem Feld dreihundert... fünfhundert.., tausend.

Mir kamen die Tränen, und ich fing an zu beten. Immer mehr Frauen kamen. (…)

Es waren jetzt über zweitausend Frauen auf dem Feld, Marktfrauen und Flüchtlingsfrauen aus den Lagern. Einige Frauen waren stundenlang zu Fuss unterwegs gewesen, und ihre Kleidung war so abgetragen, dass sie kaum mehr weiss genannt werden konnte. Eine Frau hatte einen Vorhang um ihren Kopf gewickelt, da sie nichts anderes Weisses hatte.(…)

Der Konvoi verlangsamte seine Fahrt, hielt aber nicht an. Es war klar, dass Taylor uns gesehen hatte - uns alle. Wir setzten uns wieder. Um die Mittagszeit stieg die Temperatur auf über 30 Grad; nachmittags waren es fast 40 Grad. Das Wasser ging uns aus, und ich musste von daheim Nachschub holen. Wir sangen. Passanten blieben stehen, starrten uns an. Am frühen Abend fuhr Taylors Konvoi wieder vorbei. Wir waren mit unseren Plakaten immer noch da. Wir hatten etwas angestossen, das nicht mehr zu stoppen war. Und wir würden bis zum Ende durchhalten.(…)

Von der Morgendämmerung bis zum Beginn der Nacht, zwölf Stunden. Wir verbrachten die Zeit mit unterschiedlichen Aktivitäten. Manchmal tanzten ein paar Frauen. Manchmal predigten einige. Unsere Parole war einfach: »Wir wollen Frieden, keinen Krieg mehr.« [2]

Massgebliche Impulse für ihre Friedensarbeit empfing die Lutheranerin Gbowee durch ihr Studium an der Eastern Mennonite University, einer von Nachfahren schweizerischer Täufer*innen in Harrisonburg / Virginia (USA) gegründeten Universität. 

2007 erlangte sie einen Masterabschluss am dortigen Center for Justice and Peacebuilding (CJP). Dieses mittlerweile weltweit bekannte Ausbildungszentrum zählt heute über mehr als 3000 Absolvent*innen aus mehr als 100 Ländern. Dessen Gründer John Paul Lederach und Howard Zehr gelten als international bekannte Experten im Bereich Konflikttransformation und Gerechtigkeit. Bezeichnenderweise sind Lederach und Zehr Nachkommen von täuferischen Familien, die wegen ihres Glaubens und dessen pazifistischen Akzenten aus dem Bernbiet fliehen mussten.  

Zu ihrer Zeit an der Mennonitischen Universität EMU sagt Leymah:

In Harrisonburg, einer kleinen Stadt im Shenandoah Valley, weit entfernt von Liberia und seinen Sorgen und all den Menschen, die etwas von mir erwarteten, musste ich nicht stark sein. Manchmal - etwa wenn ich eine Mutter mit ihren Kindern sah - fing ich einfach an zu weinen. Keiner an der EMU fand das befremdlich. Ich traf mit einem alten Mann zusammen, der seine ganze Familie im Völkermord in Ruanda verloren hatte. Mit einem Afghanen, der sein Land gar nicht anders kannte als im Kriegszustand und der zu viel trank. Noch nie hatte er seinen Geburtstag gefeiert. Ich organisierte eine Überraschungsparty mit einer riesigen Torte für ihn. Einige Studenten nannten mich »Big Mama« oder »Mutter des Friedens«. [3]

Leymah Gbowee ist die Hauptfigur des Dokumentarfilms Pray the Devil Back to Hell aus dem Jahr 2008 über ihren Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit inmitten des Bürgerkriegs in Liberia. 


[1] Leymah R. Gbowee, Wir sind die Macht, Klett-Cotta 2012, S. 185f.
[2] S. 188-191.
[3] S. 265.